Die Medien wiederholen es täglich: sinkenden Geburtenraten in großen Teilen Europas gefährden angeblich das wirtschaftliche Wachstum. Doch in Wahrheit braucht die Wirtschaft mehr Geld – und nicht mehr Menschen.
Ein Beispiel: dem Schuhhandel bringt eine Imelda Marcos mehr Umsatz als sämtliche Bewohner einer ländlichen Kleinstadt zusammen. Die Anzahl der Füße ist irrelevant, wenn sich die Menschen keine Schuhe leisten können.
Nicht durch mehr Menschen geht es der Wirtschaft besser, sondern durch Menschen, denen es besser geht.
Anpassung der Wirtschaftssysteme an eine verbesserte Bevölkerungsdichte
Unsere derzeitige Wirtschaftsordnung ist nur scheinbar auf eine ständig wachsende Bevölkerung angewiesen. In Wahrheit nutzt die Bevölkerungszunahme wenigen, schadet aber vielen. Außerdem leiden auch alle nicht-menschlichen Lebensformen unter dem menschlichen Expansionsdrang, doch diese „ökologischen Kosten“ tragen natürlich kein Preisschild und werden daher meist ignoriert. In diesem Kapitel wollen auch wir uns ausschließlich mit dem Menschen beschäftigen, schließlich haben wir die Wirtschaft angeblich zu unserem Nutzen geschaffen.
Ein Überschuss an Arbeitskräften begünstigt Arbeitgeber, benachteiligt aber die abhängig Beschäftigten. Wer eine Familie zu ernähren hat, wird sich ein Engagement in Streiks oder ähnlichen Maßnahmen zweimal überlegen. Auch für den Faktor Arbeit gilt das ökonomische Grundprinzip: Nachfrage und Angebot bestimmen den Preis. Bei hoher Arbeitslosigkeit sinken Löhne und Gehälter, Arbeitskräftemangel hingegen bewirkt höhere Verdienstmöglichkeiten.
Greifen wir als Beispiel die Baubranche heraus: Neubau schafft Arbeitsplätze und bringt den Investoren frisches Kapital ein. Doch ein großer Teil der Kosten, die für die Erschließung neuer Wohngebiete anfallen, belastet in Wahrheit die ortsansässige Bevölkerung: ständig erhöht man ihnen die Steuern, um das Bevölkerungswachstum zu subventionieren. Wie wäre es statt neuer Menschen mit neuen Prioritäten? Durch Renovierung, Um- und Ausbau vorhandener Gebäude ließen sich ebenso viele Arbeitsplätze schaffen wie durch Neubauten.
Nächstes Beispiel: Der Baby- Kinder-und Jugendkonsumbranche brechen logischerweise die Kunden weg – dennoch braucht niemand automatisch weniger zu verdienen. In kleineren Familien bleibt für den einzelnen mehr übrig, während sich kinderreiche Haushalte viele Produkte gar nicht leisten können. Übrigens decken viele Firmen mit ihrem Sortiment auch andere Altersgruppen ab, und was an Ausgaben für Kinder und Jugendliche eingespart wird, steht für solche Produkte und Dienstleistungen zur Verfügung.
Der Bereich Erziehung und Bildung ist am offensichtlichsten auf einen steten Zustrom neuer Schüler und Studenten angewiesen – so könnte man jedenfalls meinen. Bildung ist jedoch teuer, und schon heute sind viele Gebietskörperschaften (z. B. in Deutschland die Bundesländer) mit ihrer Finanzierung überfordert. So mancher Bürger würde am liebsten gar keine Steuern mehr zahlen...Mit weniger Kindern bzw. Jugendlichen ließen sich die Klassengrößen zum Wohle von Schülern und Lehrern verbessern, und es wären weniger Investitionen in neue Schulgebäude notwendig. Statt dessen könnte man einigen vorhandenen Schulen die längst fällige Renovierung oder einen modernen Ausbau gönnen. Und bevor jemand befürchtet, Schulgebäude könnten leer stehen und Lehrer bald Einzelunterricht geben: Nicht nur junge Menschen müssen etwas lernen –wie wäre es, wenn sich der Staat stärker in der Erwachsenenbildung engagieren würde?
Von Schneebällen, Pyramiden und Renten
Kettenbriefe, bei denen Geld im Spiel ist, sind bekanntlich verboten, ebenso wie der Anlagebetrug nach dem berüchtigten Schneeballsystem (oder Pyramidensystem / Ponzi-System): Immer neue Teilnehmer müssen einzahlen, damit die versprochenen Auszahlungen fließen können. Die Leute der ersten und zweiten Stunde profitieren, doch neue Teilnehmer gehen leer aus, sobald der Nachschub ins Stocken gerät.
Was im Geschäftsleben und auch Privatleuten verboten ist, wird im Umlageverfahren der gesetzlichen Rentenversicherung schon lange praktiziert: immer mehr Beitragszahler werden gebraucht, um eine steigende Zahl von Rentenempfängern zu versorgen. Doch bisher ist noch jedes auf Wachstum basierende System irgendwann zusammengebrochen.
Anstatt vorbehaltlos jeden Unsinn nachzuplappern und aufgrund der „demographischen Zeitbombe“ nach „mehr Kindern“ zu verlangen, sollten wir das Thema Altersvorsorge mit der gebotenen Umsicht behandeln. Zweifellos ist es ein Gebot der Stunde, unsere Wirtschafts- und Sozialsysteme entsprechend der günstigen Bevölkerungsentwicklung vollkommen neu zu ordnen. Ein zukunftsfähiges System, das auf Nachhaltigkeit statt auf Wachstum basiert, wäre auch potentiell gerechter als das bisherige.
In fast allen Ländern der Welt werden Altersrenten aus dem Bruttogehalt der arbeitenden Bevölkerung mitfinanziert; daher erscheint uns dieses Prinzip so selbstverständlich und unabänderlich. Ein solches System – die Jungen finanzieren die Alten – passt jedoch nicht mehr in die heutige Zeit. Die industrielle und technologische Revolution der vergangenen Jahrzehnte sollte es möglich machen, unsere Bedürfnisse zu befriedigen, ohne unsere Kinder in die Lohnsklaverei zu verkaufen.
Sämtliche Systeme der sozialen Sicherung wurden von Menschen erdacht, sie sind keineswegs von der Natur vorgegeben. Es liegt also allein an uns, sie an neue Gegebenheiten wie z. B. eine sinkende Zahl potentieller Arbeitnehmer anzupassen.
Durch Rationalisierung (sprich: Automatisierung) verschwinden mehr Arbeitnehmer aus den Gehaltslisten als durch den „Geburtenschwund“. Der Einsatz von Maschinen statt Menschen spart dem Arbeitgeber nicht nur „Lohnkosten“, sondern auch „Lohnnebenkosten“ und insbesondere Rentenbeiträge. Dies ließe sich durchaus ändern.
Die heute vorhandene Arbeitslosigkeit zeigt überdeutlich, dass weder in Deutschland noch in irgend einem anderen Land der Welt ein Mangel an potentiellen Arbeitnehmern herrscht. Entscheidend für die Gesamthöhe der Rentenbeiträge im heutigen System ist ja nicht die Zahl der vorhandenen Menschen im arbeitsfähigen Alter, sondern die der tatsächlich Beschäftigten. Genauer genommen ist es die Wertschöpfungskraft dieser Menschen – zweifelsohne können 1.000 Gutverdiener zusammen mehr Rentenbeiträge abführen als 10.000 junge Menschen, die von der Hand in den Mund leben.
Ein passendes Zitat zum Nachdenken lieferte Wolfgang Clement (deutscher Minister für Arbeit, Wirtschaft und Soziales) in einem Fernsehinterview 2003: „Wenn man einen Eimer hat, in dem ein Loch ist, bringt es nichts, immer wieder Wasser nachzufüllen.“
Jeder neue Mensch, der nicht das Licht der Welt erblickt, entspricht rund 72 Jahren 100%-Recycling. Wir ersparen der Umwelt 50 Autofahrerjahre, vermeiden Tonnen von Schadstoffen, und schließen auch eine mögliche Fortpflanzung 20 Jahre später aus.
Wenn wir die Nachkommen unserer Nachkommen mit in die Rechnung aufnehmen, dann ersparen wir der Erde geradezu astronomische Belastungen – wir tun mehr für die Umwelt, als wir durch eigenes umweltbewusstes Verhalten jemals bewirken könnten. Der Verzicht auf ZWEI neue Menschen macht schon astronomisch mal zwei!
Wir könnten noch einen Schritt weitergehen und auf 10 neue Menschen verzichten: 720 Menschenjahre voll industriellen Konsums und Umweltverschandelung blieben der Erde erspart, allein durch die Entscheidung eines einzigen jungen Paares. Herzlichen Glückwunsch !
Nun glauben viele, die Erde könne prinzipiell eine unendliche Anzahl von Menschen ernähren – sagen wir mal 20 Milliarden. Ein „Ende der Ressourcen“ sei nicht zu befürchten, schließlich könnten jederzeit neue Energiequellen erschlossen werden, umweltverträglichere Technologien entwickelt, effizientere Nahrungsmittel erzeugt, usw. Die Vorstellung, eine wachsende Zahl von Menschen müsse sich einen begrenzten Ressourcenkuchen teilen, erzeugt verständlicherweise Unbehagen. Da wäre ein Tischlein-deck-dich natürlich wesentlich angenehmer. Doch was tun wir, wenn das Füllhorn eines Tages versiegt?
Wir Menschen sorgen uns natürlich hauptsächlich über die von uns benötigten Materialien, während gleichzeitig die natürlichen Lebensräume für Tiere und Pflanzen knapp werden. Dieser Ressourcenschwund kümmert uns nicht sonderlich, da wir sie nicht unmittelbar brauchen. Es gibt zwar schon Vorschläge, wie wir Kupfer selbst herstellen könnten, sollte uns dieser Rohstoff eines Tages ausgehen—doch die zerstörte Wildnis werden wir nicht ersetzen können.
Das Thema Überbevölkerung hat zwei Hauptaspekte: einen ökologischen und einen menschlichen.
In Ländern mit hoher Geburtenrate und häufigem Nahrungsmangel ist die Auswirkung auf den Menschen am schlimmsten. In Ländern mit niedriger Geburtenrate und hohem Konsum ist die Auswirkung auf die Umwelt am schlimmsten. Wir müssen beide Bereiche angehen, wenn wir sowohl menschliches Elend als auch den Raubbau an der Umwelt vemindern wollen.
Ein Kind, das heute in einem reichen Land zur Welt kommt, wird im Laufe seines Lebens die Umwelt viel stärker beanspruchen als ein Neugeborenes in einem armen Land. Doch selbst das ärmliche, agrarische Leben der großen Bevölkerungsmehrheit hat noch einen Einfluss auf das Ökosystem Erde.
Am Rande der Wüste sammeln Menschen noch Brennholz und lassen ihre Herden grasen – die Wüste wächst. In Afrika müssen Wildreservate durch den Schießbefehl vor hungrigen Menschen geschützt werden. Da es immer mehr hungrige Menschen gibt, stellt sich diese grauenhafte Aufgabe immer schwieriger dar. Sollte in Zeiten politischer Unruhe einmal kein Wildhüter mit der Kalaschnikow bereitstehen, könnten zahlreiche seltene Tierarten in kürzester Zeit ausgerottet werden.
Im Vergleich zu unserem High-Tech-Müll ist die Umweltverschmutzung durch die überfüllten Großstädten der Dritten Welt eher kurzlebig. Tschernobyl wird noch 24.000 Jahre lang radioaktive Strahlung aussenden, während ein organisch belasteter Fluss in wenigen Jahren wieder sauber sein kann.
Nicht zu vergessen, holen die sogenannten Entwicklungsländer ja auch auf, was den Verbrauch fossiler Brennstoffe und die Produktion giftiger Abfälle betrifft. Ein beträchtlicher Teil dieser Strukturen wird aus den industrialisierten Weltgegenden importiert, um von billigen Arbeitskräften zu profitieren. Billige Arbeitskräfte sind übrigens eine weitere Folge hoher Geburtenraten.
Der Verzicht auf weitere Vermehrung ist das Beste, was wir für die Erde und für die Menschheit tun können – unabhängig davon, ob wir selbst im Überfluss oder unter dem Existenzminimum leben.
Dafür spricht tatsächlich einiges: Ein kleiner Prozentsatz der Weltbevölkerung konsumiert den Löwenanteil von Energie und Rohstoffen. Ließe sich alles gerecht über die Erdbevölkerung verteilen, dann müsste vorerst niemand mehr hungern.
Einmal abgesehen von der einfachsten aller Wahrheiten – Menschen, die nicht geboren sind, können auch nicht verhungern – liegt der Hauptgrund für den Hunger in wirtschaftlicher Ausbeutung. Anstatt die dringend benötigten Lebensmittel für den Eigenbedarf anzubauen, müssen viele Regionen der Dritten Welt Agrarprodukte für den Export erzeugen, um die horrenden Zinsen für Auslandsschulden aufzubringen. In der Tat könnte man die Erlöse aus der Rohstoffgewinnung auch verwenden, um die Grundbedürfnisse der Einheimischen zu befriedigen – anstatt die Luxusbedürfnisse der Reichen.
Mehr Umweltbewusstsein wäre sicher ein fairer Beitrag von uns konsumsüchtigen Industriebürgern. Doch an der ungerechten Weltordnung wird dies nicht viel ändern können – diese steht felsenfest, durch brutale Macht an Ort und Stelle gehalten, wie eh und je.
Auch das langsame Aussterben der menschlichen Rasse wird nicht automatisch einen Zustand wirtschaftlicher Gerechtigkeit herstellen, aber diesen zumindest möglich machen. Je kleiner unsere globale Menschenfamilie, desto einfacher wird es, jeden satt zu bekommen.
Stellen wir es uns so vor: 6,3 Milliarden Menschen teilen sich ein riesiges Brathühnchen. Dem Hühnchen ist es egal, wer den Schlegel bekommt und wer das Nackenfleisch.
Die heutigen Wirtschaftssysteme basieren noch immer auf der uralten Methode der Brandrodung. Diese Methode funktioniert unter der Voraussetzung, dass unbegrenzte Ressourcen zur Verfügung stehen und unbegrenztes Wachstum möglich ist. Wir wissen genau, dass das nicht stimmt. Dennoch machen wir so weiter wie bisher.
Die Brandrodung erwies sich in dünn besiedelten Regionen viele tausend Jahre lang als eine durchaus tragfähige und nachhaltige Wirtschaftsweise. Erst wenn sich die Natur in vielen Jahrzehnten vollständig erholt hatte, kehrte wieder ein Menschengrüppchen auf ein zuvor verbranntes Stückchen Erde zurück. Heute roden und brennen wir munter weiter, doch es gibt einfach zu viele von uns. Der Natur bleibt keine Zeit mehr zur Regeneration.
Die Grundlage der meisten modernen Industriegesellschaften lässt sich wie folgt zusammenfassen: Arbeitskräfte und Rohstoffe sind reichlich verfügbar, die Güter sind knapp, die Bedürfnisse grenzenlos.
Nachhaltigkeit bedeutet dagegen: Anerkennung der Grenzen des Wachstums und besondere Beachtung von Langzeiteffekten. Anstatt nach dem heutigen Motto „ex und hopp“ die Ressourcen restlos aufzubrauchen und Müll wegzuwerfen, sollte ein pfleglicher Umgang mit den Ressourcen nach dem ebenfalls bekannten Prinzip „Vermeiden, verwerten, recyceln“ an oberster Stelle stehen.
Um die ressourcenfressende Maschinerie am Laufen zu halten, opfern wir den wahren Reichtum dieses Planeten: das Leben selbst. Dieses unersättliche Monster hat nichts anderes im Sinn als alles Leben auf der Erde zu verbrauchen, und wir arbeiten Überstunden, um ihm Nahrung zu verschaffen. Das Monster ernährt sich hauptsächlich von unseren Nachkommen. Wir sollten es aushungern.